Bild: Max Guigas

Jetzt für ein Erasmus-Semester in die Türkei gehen?

Max Guigas ist seit Mitte September für ein Erasmus-Semester in Istanbul.

FB Wiwi: Seit wann sind Sie in Istanbul?

M. Guigas: Ich wohne seit dem 17. September letzten Jahres in Istanbul, ab dem 21. September begann die Einführungswoche der Universität.   Wo und wie wohnen Sie in Istanbul? Schon von Deutschland aus habe ich einen Mietvertrag für eine Studenten – WG im Stadtteil Kadiköy auf der asiatischen Seite der Stadt unterschrieben. Auf die Wohnung bin ich über eine Mail der Universität gestoßen, in welcher sie einige Wohnungen für Erasmus Studenten empfohlen, mit welchen in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht wurden. Ich persönlich würde Kadiköy auch jedem weiterempfehlen, da dieser Teil der Stadt sehr studentisch geprägt ist und auch der mein Campus schnell zu erreichen ist. Ansonsten ist die Gegend um Taksim sowie Besiktas bei Erasmus Studenten sehr beliebt, da vor allem in Taksim ein sehr lebendiges Nachtleben herrscht.

FB Wiwi: Warum haben Sie sich für Istanbul entschieden? Haben Sie Vorkenntnisse über das Land und die Sprache gehabt?

M. Guigas: Die Stadt Istanbul hat mich aufgrund ihrer Größe und ihrer beeindruckenden Vielfältigkeit sehr interessiert, außerdem wollte ich in meinem Auslandssemester etwas vollkommen Neues entdecken und erleben. Da ich zuvor nie in der Türkei war reizte es mich mehr als Ländern die ich zuvor schon gesehen hatte. Über das Land wusste ich vor meinem Aufenthalt sehr wenig und auch die Sprache war mir völlig fremd. Ich belegte im vorausgehenden Semester allerdings einen Türkisch Grundsprackurs in Konstanz.  

FB Wiwi: Haben Sie Anschluss und Kontakt zu einheimischen Studierenden oder anderen Personen vor Ort?

M. Guigas: Anschluss zu einheimischen Studenten hat man als Erasmus Student in Istanbul sehr schnell, da es an jeder Universität ein sogenanntes „Erasmus Student Network“ gibt, das aus Studenten der jeweiligen Unis besteht, die ehrenamtlich Ausflüge, Partys und weitere Treffen, wie ein traditionelles türkisches Frühstück organisieren. Aber auch außerhalb dieses Netzwerks sind viele Studenten und auch die Menschen abseits des Unilebens kontaktfreudig und freundlich.  

FB Wiwi: Wie erleben Sie Ihre Umgebung nach dem Putsch? Gibt es deutliche und merkbare Unterschiede zu der Zeit davor (z.B. Sicherheitslage)? Wenn ja, welche?

M. Guigas: Die Frage ist für mich schwierig zu beantworten, da ich die Situation vor dem Putschversuch nicht kenne und dementsprechend keine Unterschiede benennen kann. Zur allgemeinen Situation kann ich jedoch sagen, dass es in den bisherigen Monaten, in welchen ich hier gewohnt habe, keine Situation gab, in der ich mich unwohl oder bedroht gefühlt habe. Das soziale, öffentliche Leben läuft in meinen Augen vollkommen normal weiter. Das einzige eventuell außergewöhnliche ist die hohe Polizeipräsenz an bekannten öffentlichen Plätzen, die von mir jedoch als absolut nicht störend wahrgenommen wird.

FB Wiwi: Haben die Entlassungen, Suspendierungen und Einschränkungen Auswirkungen auf Ihr Studium dort?

M. Guigas: Obwohl auch an meiner Universität Entlassungen stattgefunden haben, habe ich nicht das Gefühl, dass diese größere Auswirkungen auf mein Studium hatten. Die Vorlesungen, welche ich hier besuchen wollte, werden weiterhin normal gehalten, ich kann allerdings nicht mit kompletter Sicherheit sagen, ob das für jeden Studenten zutrifft. Die einzige Einschränkung, welche ich bisher mitbekommen habe ist, dass Professoren, wenn man die aktuelle politische Lage anspricht, vor einheimischen Studenten nichts offen kritisieren wollen, da sie Konsequenzen fürchten, wenn diese Kritik an die Öffentlichkeit gelangt.  

FB Wiwi: Wie erleben Sie die Stimmung unter den Studierenden und /oder den Dozierenden?

M. Guigas: Ich würde behaupten, dass die meisten Studierenden und Dozierenden der politischen Lage eher kritisch gegenüberstehen, allerdings wird das leider selten thematisiert, weshalb ich wenig dazu sage kann.

FB Wiwi: Wird über die aktuelle politische Lage gesprochen?

M. Guigas: Es wird zwar darüber gesprochen, jedoch habe ich das Gefühl, dass die meisten Studierenden und selbst die Dozierenden sich nur gegenüber Gleichdenkenden trauen, offen ihre Meinung zu sagen.

FB Wiwi: Was ist Ihre persönliche Einschätzung zu der aktuellen Situation?

M. Guigas: Meine persönliche Meinung ist, dass die derzeitige Politik der Türkei absolut nicht zu unterstützen ist, bisher allerdings, vor allem in Istanbul, nahezu keine Auswirkungen auf das öffentliche Leben hat. Als Erasmus Student erlebt man eine beeindruckende Metropole, in welcher das Leben kaum von vielen westlicheren Großstädten zu unterscheiden ist. Deshalb würde ich im Moment noch jedem, der einen Auslandsaufenthalt in Istanbul plant, empfehlen sich nicht einschüchtern zu lassen, da es eine außergewöhnlich schöne Stadt mit freundlichen Leuten ist. Ich selbst würde auch jederzeit wieder Istanbul für mein Auslandssemester wählen. 

FB Wiwi: Vielen Dank!