Deißinger, Th., (1992) Die englische Berufserziehung im Zeitalter der industriellen Revolution. - Ein Beitrag zur Vergleichenden Erziehungswissenschaft. (Würzburg/Königshausen & Neumann)

584 Seiten, ISBN 3-88479-681-X.

Die Studie geht vor dem Hintergrund des Europäischen Binnenmarktes von der Prämisse aus, dass die "Andersartigkeit der Andersräumigkeit" der einzelnen europäischen Berufsbildungssysteme "Individualitäten" hervorgebracht hat, die nicht ohne weiteres einer europäischen "Bildungsstrategie" subsumierbar sein dürften. Greifbar werden diese dort, wo Bildungs- und Qualifizierungssysteme und ihre Strukturen sowie die damit verbundenen Problemlagen von gravierender Andersartigkeit sind. Letzteres trifft für den Vergleich des deutschen mit dem englischen Berufsbildungssystem zu. Für die berufspädagogisch-historische Forschung im Rahmen der Vergleichenden Erziehungswissenschaft stellt sich unter dem Aspekt der "Gegenwartsbedeutsamkeit" die Aufgabe, die Zeit der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert auf jene "realen Antriebe" hin zu befragen, die gestaltgebend auf die Bildungs- und Berufsbildungsentwicklung der europäischen Länder eingewirkt haben. Bezogen auf den deutschen Bereich kann in diesem Zusammenhang von der Resistenz des konservativ-ständischen Prinzips gesprochen werden, die die Keimzellen des "dualen Systems" der Berufsausbildung entstehen ließ. Auch die Strukturen des englischen Berufsbildungssystems lassen sich auf die "berufspädagogische Reaktion" des Landes unter den Rahmenbedingungen der Industriellen Revolution, deren "klassischer Boden" England war, zurückführen. Es erfolgten "Weichenstellungen", deren Wirkungen bis in die Gegenwart hinein spürbar sind.

Im ersten Teil geht es um das Zustandekommen und die Weiterentwicklung berufserzieherischer Aktivitäten im Zeichen des sozialen und ökonomischen Wandels, der in England im späten 18. Jahrhundert in die Industrielle Revolution einmündet. Dabei wird bewusst auf die "vorindustrielle Vorgeschichte" eingegangen, anhand derer Kontinuitäten wie auch Diskontinuitäten der englischen Berufserziehungsgeschichte präzisiert werden können. Im zweiten Teil konzentriert sich die Untersuchung auf den Entwicklungsprozess institutionalisierter Erziehung im Verlauf des 19. Jahrhunderts, wobei Bezug genommen wird auf bildungspolitische Initiativen, die Bildungs-, Arbeits- und Armengesetzgebung sowie das "geistige Klima" der viktorianischen Zeit. Das Thema der Untersuchung entfaltet sich im Kontext der Vergleichenden Erziehungswissenschaft. Vor dem Hintergrund der europäischen Integrations-Perspektive wird die Fragerichtung von einem Problembewusstsein bestimmt, bei dem die deutsche "dualistische Ordnung" und ihre Geschichte die Bewertungsmaßstäbe liefern. Dabei wird das Untersuchungsanliegen methodologisch im Rahmen einer die Theorie der Schule übergreifenden Theorie des Bildungswesens fixiert. Die Untersuchung schließt mit vier Thesen zur Geschichte der englischen Berufserziehung.